metroZones
SCHULE FÜR STÄDTISCHES HANDELN

Stephan Lanz

Leer kann sehr vieles bedeuten

Kartierung der fux-Kaserne

Es gibt hier im Viertel fast nichts außer Wohnen. Da ist die Kaserne, die schon immer das dominierende Gebäude war. Interessant ist, dass es jetzt wieder dieses dominierende Element werden wird, also das einzige dynamische Kraftzentrum, das Leute von außen anzieht. Der Rest des Stadtteils wirkt, als hätte er kein Zentrum, kein Herz, keine Dynamik. Man hat hier extrem unterschiedliche Bautypen aus den letzten 130 Jahren. Aus jedem Jahrzehnt finden sich Gebäude, eine verrückte Mischung. Vieles ist sozialer und genossenschaftlicher Wohnungsbau, aber man sieht auch gründerzeitlichen Altbau.

Das, was ich kartiert habe, würde ich als »Fenstermilieus« bezeichnen: Aus dem, was sich in den Fenstern zeigt und von außen sichtbar ist, kann man viel über die Bewohnerschaft erfahren. Wenn man die Fensterkartierung noch mit dem jeweiligen Gebäudetyp und den Klingelschildern zusammenbringt, lässt sich zusätzlich etwas über den Charakter des Stadtteils lernen. Während meines Rundgangs habe ich notiert, was ich gesehen habe, und dies danach in Kategorien gefasst und in Icons übersetzt. Natürlich konnte ich nur das erfassen, was ich – ohne irgendwelche Daten zu haben – in einer Stunde Herumlaufen sehen konnte. Alles kann daher in Wirklichkeit auch ganz anders sein.

Kartendetail aus dem Workshop des metroZones-Schul-Camps. Fotos: Anne Huffschmid

Da wäre z.B. die Kategorie »kleinbürgerlich/modernisiert«. Das sind Fenster mit Vorhängen und bestimmten Pflanzen, die neu, aber immer noch relativ altmodisch aussehen. Das nächste Icon steht für »akademisch-alternativ«, im weitesten Sinn unser Milieu, würde ich sagen. Hier sind keine Vorhänge oder wenn, dann sehen die anders aus. Dann gibt es so etwas wie »bürgerlich/schick«, also schon relativ aufgewertet. Leere Fenster bzw. keine Vorhänge kann sehr vieles bedeuten. Hier habe ich eine Kategorie »leer/modern« genannt und eine zweite, wo man den Eindruck hat, da wohnen Leute, die eher arm sind, »einfach/unkonventionell«. Da wirkt alles relativ gebastelt und du hast nicht mehr diese kleinbürgerlichen Konventionen, die eingehalten werden müssen.

Ich habe viele Arten von Klingelschildern gesehen: Da sind Häuser mit »biodeutsch dominierten« Klingelschildern (obwohl ich dieses Wort nicht mag), und es gibt die Kategorie »überwiegend biodeutsch«, aber schon sehr schick. Und dann sind da Gebäude mit Spuren einer für Westdeutschland klassischen »Gastarbeiter«-Einwanderung, in der vermutlich dritten Generation, mit entsprechender Mischung aus türkischen, griechischen und auch deutschen Namensschildern. Und es gibt das Milieu, das man in Kiezen von St. Pauli oder Neukölln tendenziell als Mainstream hat, das man als »alternativ/international/ dynamisch« bezeichnen könnte. Die ganze Art und Weise, wie diese Klingelschilder beklebt sind, zeigen eine besondere Dynamik. Du kannst z.B. unterschiedlichste Namen pro Wohnung sehen, also wahrscheinlich WGs. Zudem hat man hier eine ganz andere Internationalität mit englischen, skandinavischen Namen, die nicht auf das »klassisch-deutsche« Einwanderungsmilieu verweisen.

In Bezug auf den Bautypus haben wir die Kategorien »einfacher Altbau «, »schicker Altbau« und »genossenschaftlicher Wohnungsbau«, der insgesamt im Viertel dominiert. Aufschlussreich sind nun die Zusammenhänge. Es gibt z.B. die Kombination aus gemischtem traditionellen Einwanderungskiez mit eher »modernisiert kleinbürgerlichen « Fenstern. Dann haben wir einen 50er/60er-Jahre-Sozialwohnungsbau, wo das Milieu oft »altmodisch/kleinbürgerlich« wohnt. Das sind Häuser, in denen Leute schon sehr lange wohnen, mit überwiegend deutschen Namen auf den Klingelschildern. Bei diesen alten Genossenschaftshäusern sind das Klientel und Milieu eher konservativ und man hat eine extrem geringe Dynamik. Die Veränderung im Stadtteil zeichnet sich an solchen Orten nicht ab.

Demgegenüber sieht man direkt nebenan Genossenschaftsbauten aus den nuller Jahren, wo ein völlig anderes Milieu wohnt, eher »akademisch/ alternativ« bis hin zu »bürgerlich/schick«. Im sanierten Altbau findet man häufig das klassische »WGs/international/alternativ«- Milieu. Schließlich, nicht zu vergessen: schick sanierter Altbau, der edel wirkt mit Messingklingelschildern und wiederum fast ausschließlich deutschen Namen.

Ich fand es interessant, wie man die Mischung im Stadtteil mit dieser Form von Außenwahrnehmung beschreiben kann. Nun müsste man überprüfen, ob das alles so stimmt, recherchieren und mit vielen Menschen reden. Erstaunlich ist doch, wie viel man schon sehen kann und welche Zusammenhänge sich ergeben, wenn man diese drei Kategorien (Fenster, Klingelschild, Bautyp) übereinanderlegt.